Turnen: Die Damen bestreiten ihren ersten Wettkampf der neuen Saison. Ein Trainingsbesuch bei Jenas Turnern.

Jena Anton Schneider springt an die Reckstange, rutscht ab und stürzt laut krachend auf die Bodenmatte.

Die Teamkollegen lachen. Auch Trainer Falk Seliger schmunzelt und sagt mit ironischem Unterton: "Zum Glück haben wir genügend Turner in der zweiten Mannschaft, es kann sich also ruhig noch einer beim Kaspern verletzten!" Der Gestürzte reibt frische Magnesia auf seine Turnriemchen, schlägt die Hände zusammen und springt aus der weißen Pulver-Wolke erneut an die Reckstange. Diesmal gelingt die Übung. Derweil beobachtet und kommentiert der Trainer schon am benachbarten Hochreck Frithjof Pölzig: "Spannung! Füße! Anlegen! Jawohl!"

Seliger schrieb das bisher letzte leistungssportliche Kapitel Jenaer Turnen im Seniorenbereich mit: Von 1993 bis 1998 kämpfte die erste Mannschaft des Vereins in der Bundesliga. "Das war wirklich eine schöne Zeit." Aus heutiger Sicht habe Turnen an der Saale aber insbesondere eine Tradition als Breitensport, berichtet der 36-jährige Trainer. Er selbst wechselte mit dem Ende der Jenaer Mannschaft zuerst für zwei Jahre zum Bundesligisten Bremen 1860 und von dort nach Nordrhein-Westfalen, wo er bis Mitte der 2000er Jahre für den TuS Leopoldshöhe in der Bundes- und Oberliga turnte. 2001 fragten ihn die Verantwortlichen in Jena, ob er parallel in seiner Heimat als Trainer mitarbeiten wolle - er wollte. Seitdem sammelt der Verein Erfolge in Thüringen: Seit 2004 wurden die Jenaer Männer achtmal Meister der ersten Landesliga, gewannen 2012 den Bundespokal, die Deutsche Meisterschaft der Amateure. Obwohl sie mehrfach für die Aufstiegswettkämpfe zur dritten Bundesliga qualifiziert waren, nahmen sie niemals an der Runde teil. "Dafür war der Altersdurchschnitt im Team zu hoch", sagt Seliger. Außerdem hätte die höhere Liga Mehrausgaben bedeutet: "Und dieses Geld stecken wir lieber in den Nachwuchs!"

In dieser Saison stellt die Turnsportgemeinschaft insgesamt fünf Mannschaften in den Landesligen: drei Frauen- und zwei Männerteams. Die Damen starten an diesem Wochenende in die neue Saison, und zwar mit Ambitionen: Für erste und zweite Mannschaft soll es am Ende in der jeweiligen Liga zu einer Poderstplatzierung reichen. Die TsG-Herren haben ja bereits vor zwei Wochen ihren ersten Wettkampf bestritten und werden an diesem Wochenende in Waltershausen die Verfolgung aufnehmen. Die Erste liegt nach dem Auftakt auf Rang drei der ersten Landesliga. Die Zweite ist derzeit in der zweiten Landesliga Zweiter hinter der "zweiten Welle" des MTV Erfurt.

In der zweiten Männer-Mannschaft sollen die TsG-Jugendlichen Wettkampferfahrung sammeln. Seit dieser Saison gehört auch Simeon Bentke als Jüngster dem Kader an. Der 13-Jährige gab sein Liga-Debut im Februar beim Saisonauftakt in Erfurt an seinen Lieblingsgeräten, am Pauschenpferd und an den Ringen. Sein Interesse am Turnsport weckte sein Onkel, der den Jungen einst auf Familienfesten mit akrobatischen Kunststücken begeisterte. Vor fünf Jahren begann er schließlich mit dem Training im Verein. Eigentlich ein später Start in die Turnkarriere. "Doch ich habe das Talent sofort gesehen", sagt Falk Seliger.

2011 besuchte Bentke die Europameisterschaften in Berlin, sah dort einige der großen Turner dieser Zeit - allen voran Fabian Hambüchen. Der sei "ein cooler Typ" und irgendwie auch ein Vorbild, sagt der 13-Jährige. Trotzdem träume er nicht von einer Laufbahn als erfolgreicher Leistungsturner.

"Natürlich freue ich mich, wenn ich sehe, wie sich die Kinder im Laufe der Jahre entwickeln", sagt Trainer Seliger. Die Entwicklung bei Simeon sei außerordentlich positiv. Er könne sich gut vorstellen, dass sein Schützling in diesem Juni beim Deutschland-Cup an den Start geht, sagt Seliger. Zuvor stehen aber noch die Wettkämpfe in der Liga auf dem Programm. "Und wenn wir unsere bisherige Platzierung halten können, dann haben wir unser Saisonziel voll erreicht", sagt Seliger.

Zum Abschluss der Turnstunde ruft er die Jungs noch einmal zusammen. Letzter Anweisungen: 30 Klimmzüge am Barren, danach Rückwärtssalto-Wettbewerb auf der Bodenfläche. Den gewinnt der 16-jährige Peter Tischendorf. "Der Teamchef", wie er selbst schmunzelnd behauptet. Die anderen lachen - auch der Trainer lächelt, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und sagt: "Die sind alle total verrückt!"

Benedit Bernshausen / 12.03.15 / OTZ/TLZ

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